In einer Kirche steckt die Arbeit von Generationen. Durchbetete Wände, eingeritzte Botschaften, hochliturgische Symbolik. Ein Besuch der Waaker Dorfkirche lohnt sich, denn hier gibt es viele Details zu entdecken.
Doch zunächst: Welchen Namen trägt sie überhaupt? Viele Kirchen heißen St. Petri, oder St. Jacobi. Sie tragen den Namen ihres Patrons, das ist meist ein Jünger Jesu, Maria oder eine andere heilige Figur aus der Bibel oder der Kirchengeschichte. Die Waaker Kirche wird auch mal einen Namen getragen haben, nur welchen, das weiß leider niemand mehr. Man hörte irgendwann auf, ihn zu benutzen. Und da er bisher auch in keinem Schriftgut gefunden wurde, bleibt die Sache ein Rätsel.
Steht man vor der Kirche, fällt zunächst der mächtige Turm ins Auge. Dieser gehört zum ältesten Teil der Kirche und stammt noch aus dem 14. Jahrhundert. So manches Mal wird er auch bei Angriffen Schutz geboten haben. Die kleinen Löcher in den Steinen sind allerdings keine Einschusslöcher – sie dienten beim Bau der Kirche als Halterung. Der Turm ist mit einem spitzen Helm bedeckt. Und mit ein bisschen Fantasie sieht er aus wie ein Hexenhut. In der Kugel an der Turmspitze wurden bei der letzten Öffnung Unterlagen gefunden, die als eine Art Zeitkapsel dort hinterlegt wurden. Zu sehen sind diese im Museum auf dem Gutshof.
Das Kirchenschiff ist dagegen deutlich jünger. Als die Familie von Wangenheim das Gut im Dorf übernahm, ließen sie das marode gewordene Kirchenschiff abreißen und neu aufbauen. 1717 wurde das neue Kirchenschiff eingeweiht. Schauen Sie sich mal genau den Übergang von Turm und Kirchenschiff von außen an: Sie werden die Stelle erkennen, wo angebaut wurde.
Die Mauern der Kirche sind aus Buntsandstein, der im Wäschetal bei Waake abgebaut wurde. Viele Waaker haben mit Mühe die Steine behauen und auf den Kirchberg gebracht. Mit den Fingern kann man über die dabei entstandenen Furchen im Stein fahren.
Der kleine Anbau war früher eine Grablege der Familie von Wangenheim. Heute beherbergt sie die Heizung. Die Grablege wurde auf den neuen Friedhof verlegt, wo die Familie sich ein Mausoleum errichtet hat.
Betreten wir die Kirche. Man geht auf der Südseite hinein und steht zunächst unter der doppelgeschossigen Empore. Ein paar Schritt richtig Altar und ein weiter, sternenbedeckter Himmel breitet sich aus. Ein hellblauer Himmel, rosane Wolken (wenn das Licht in der Kirche richtig fällt) und viele kleine und große Sterne. Über dem Altar eine Sonne, in der der Gottesname in hebräischen Buchstaben steht. Dass die Waaker Kirche so einen schönen Himmel hat, war viele Jahrzehnte nicht bekannt. Bei Restaurierungsarbeiten 2004 erschien plötzlich ein kleiner Stern und dank vieler Spenden konnte der Himmel wieder gänzlich freigelegt werden. Es ist die ursprüngliche Bemalung der von der Familie Wangenheim in Auftrag gegebenen Innenausstattung.
Die Familie von Wangenheim haben bis heute das Patronat über die Kirchengemeinde inne. Das bedeutet, dass sie einen festen Sitz im Kirchenvorstand haben und die Kirchengemeinde mit Rat und Tat unterstützen. Momentan führt diese Funktion Marie von Wangenheim aus. Und die Familie hat auch eigene Sitzplätze: Links vom Altar ist die Prieche, die früher doppelgeschossig war.
Rechts vom Altar ist eine kleine Sakristei hinter der Balustrade. Von dort gelangt man zur Kanzel. Die Kanzel hat einen Schalldeckel, in Zeiten ohne Mikrofon eine Art Lautsprecher.
Der Altar zeigt in der Mitte die Kreuzigungsszene. Man sieht in der Mitte den gekreuzigten Jesus, daneben Maria, seine Mutter und seinen Lieblingsjünger Johannes, so bezeichnet ihn zumindest das eventuell nicht ganz unparteiische Johannesevangelium. Die Szene zeigt einen Teil der Kreuzigungsgeschichte, wie sie auch nur der Evangelist Johannes erzählt: Der Gekreuzigte verbindet Maria und Johannes und bittet sie darum, füreinander als Mutter und Sohn zu sorgen. Darüber ist das Wappen der Wangenheims zu sehen. Noch eine Etage höher sieht man, umstellt von Engeln, den Auferstandenen. Der Altar will also sozusagen von unten nach oben gelesen werden, von der gebeugten in die aufgerichtete Haltung. Und wenn Sie schon mal da sind: Schleichen Sie doch mal hinter den Altar. Dort haben sich die Handwerker der letzten Renovierung verewigt.
Vom Altar aus haben Sie einen guten Blick auf die Orgel. Sie wurde 1854 von Carl Giesecke gebaut. Sie hat sieben Register, ein Manual und ein Pedal.
Unter der Empore versteckt sich der sogenannte Ehrenraum. Er diente als Raum zum Gedenken der Gefallenen der beiden Weltkriege. Heute nutzen wir den Raum auch für Lagerung.
Nun haben Sie unsere Kirche schon fast in Gänze erkundet. Aber eine Sache wird ihnen noch nicht aufgefallen sein. Geht auch gar nicht, denn es ist nichts mehr davon zu sehen. Unter dem Altarraum befindet sich die Gruft der Kirche. Es ist die Grablege der Familie von Uslar-Gleichen und der Familie von Wangenheim, bevor das Mausoleum auf dem Friedhof erbaut wurde. Der Zugang ist vermauert, man kommt heute nicht mehr hinein. Beim letzten Eintritt in die Gruft vor rund 120 Jahren nahm man die Holzplatten, die auf den Särgen lagen und deutlich machten, wer hier liegt, mit nach oben. Sie hängen heute in der Prieche. In zum Teil langen Texten wird die verstorbene Person honoriert. Spannend sind die Wappen, besonders bei den Frauen. Denn sie vereinen oft das Wappen der Herkunftsfamilie und der angeheirateten Familie. Der rote Hund ist das Zeichen derer von Wangenheim. Vielleicht entdecke Sie auch den Eberkopf, der zur nicht weit entfernten Familie von Hardenberg gehört.
Noch mehr Historisches zu unseren Gebäuden gefällig?
Neben der Kirche steht die alte Schule. Später wurde sie auch als Kindergarten, dann als Heimatmuseum genutzt. Heute ist sie Lagerraum für das Heimatmuseum auf dem Gutshof. So manche älteren Leute aus Waake sind hier aber noch zur Schule gegangen. Der Kirchgarten war sozusagen Schulhof, sogar eine Sandkuhle zum Weitsprung üben soll es gegeben haben.
Noch ein Stück weiter steht das alte Küsterhaus. Es diente auch als Lehrerwohnung und später als zweites Schulgebäude. Hier war auch eine Industrieschule beherbergt, wo die Waaker Jugendlichen verschiedene handwerkliche Tätigkeiten erlernen konnten.
Dreht man sich um und geht in die andere Richtung, kommt man zu einer Treppe. Wir steigen sie hinab und stehen schon wieder auf kirchlichem Gelände. In der Mitte steht das Charlottenhaus, das Gemeindehaus der Kirchengemeinde. Das kann man mieten! Benannt ist es nach Charlotte von Wangenheim, die den Vorgängerbau gestiftet hatte. Dieser brannte jedoch ab und in den 80ern wurde das neue Charlottenhaus erbaut.
Links davon liegt die alte Scheune des Pfarrhauses. Früher lagerte der Pastor hier sein Getreide und hielt sein Vieh. Im rechten Teil ist heute die Braustube. Der Waaker Pastor war mal so arm gewesen (damals gab es keinen festen Lohn, man hatte vor allem Land, das man bewirtschaften oder verpachten musste), dass man ihm erlaubte, Bier für die Hilfsarbeiter zu brauen. Dass am Pfarramt Waake das Braurecht hing, war dann in Vergessenheit geraten. Bis man es vor einiger Zeit wiederentdeckte und kurzerhand eine Braustube eröffnete. Um das Brauen kümmert sich der Zukunftsverein Waake e.V., dem das Pfarramt das Braurecht verliehen hat. Zu manchen Gelegenheit in Waake kann man das Waaker Pfarrbräu auch probieren.
Auf der gegenüber liegenden Seite steht das Pfarrhaus, das auch noch immer von der Pfarrfamilie bewohnt wird. Es steht unter Denkmalschutz und war auch einst eine Stiftung der Familie von Wangenheim. Aber auch die Waaker mussten einen Teil beitragen, vor allem in Form von Bauholz. In Aufzeichnungen ist sogar festgehalten, welche Familie wie viel Holz gab. So manchen Namen gibt es auch nach 300 Jahren noch in Waake.
Haben Sie noch mehr Fragen rund um die Geschichte der Kirche, der Nebengebäude und der Kirchengemeinde? Gerne hilft unsere Pastorin Johanna Bierwirth Ihnen weiter.